Rezensionen

AOL-Verlag stellte im Scherzheimer Hoftheater
neues Bändchen aus der Reihe “Leicht gelernt”
über Leben und Werk des Dichterfürsten vor
Lust und Leid hauchen Goethe Leben ein
Von Kerstin Sonnekalb

Scherzheim - Goethe, das war doch der mit dem Faust - es dämmert aus grauen Unterrichtstagen. 250 Jahre wäre der Dichterfürst in diesem Jahr geworden. Gestorben ist er 1832. Warum er dennoch in der Halle der Unsterblichen weiterlebt, bleibt der Masse, insbesondere Generationen von Schülern, zumeist verschlossen. Um dies zu ändern, hat der Scherzheimer AOL-Verlag in der Reihe “Leicht gelernt” dem Herrn Geheimrat ein 64-seitiges Bändchen gewidmet, das Autor Jürgen Schwarz am Samstag im Scherzheimer Hoftheater vorstellte. Der Goethe-Kenner ist Deutschlehrer in Kassel - wo wohl? Am Goethegymnasium.
Schwarz skizziert Johann Wolfgang von Goethe nicht als staubigen Klassiker für Eingeweihte. Er gewährt Zugang über den Mann Goethe, versucht, dessen Lust und Leid in der Liebe anhand seiner Frauen nachzuempfinden und so die Werke des Menschen Goethe wieder zum Leben zu erwecken - ein Ansatz, der nicht nur pubertierenden Schulkindern den Bezug zum Jetzt schmackhaft macht.
Schon früh erkannte Wolfgang: “Freude und Leid gehören in der Liebe zusammen.”
Als 17-Jähriger kam er zum Studium nach Leipzig. Dort kümmerte er sich mehr um die Freuden des Lebens als um die Juristerei. Schwarz belegte dies mit geradezu voyeuristischen Zeilen aus dem Gedicht “Annette an ihren Geliebten”. Käthchen Schönkopf hieß die Schöne, die Goethe dazumal den Kopf verdrehte.
Mit dem Wechsel nach Straßburg 1770 trat die Pfarrerstochter Friederike Brion aus Sesenheim in sein Leben. Briefe, Goethe nannte sie damals “Stückchen Papier ein geflügeltes Pferd”, das seine Gedanken zur Liebsten trägt. Schwarz´ Rezitation eines Gedichts aus jener Zeit vermittelt einen Eindruck, mit welch großen Gefühlen die Dichterseele in der Stunde des Schreibens erfüllt gewesen sein musste. Es ist die Zeit von Sturm und Drang - der Knab´, der das Röslein stehen sieht und es bricht, wie er Friederikes Herz brach. Goethe verlässt sie ohne Abschied. Sie leidet fürchterlich, wendet sich der Wohltätigkeit zu und stirbt unverheiratet im Alter von 61 Jahren. Ihr Geist - vorzüglich dargestellt von Gabi Klein - ließ denn auch kein gutes Haar an dem “Schuft”, dem in diesem Jahr die Welt huldigt.
Nach der Pause stellt Schwarz einen nachdenklicheren Goethe vor. “Der Mensch reift das ganze Leben lang”, schrieb er 1775, nachdem er Lili Schönemann in seinem Geburtsort Frankfurt sitzen gelassen hatte. Er folgt dem Ruf nach Weimar. Charlotte von Stein, eine sieben Jahre ältere, verheiratete Frau, beruhigt und besänftigt sein Gemüt - Inspiration zum Gedicht “An den Mond”.
Charlotte wahrt die Contenance, um nicht zum Gespött zu werden. Goethe schafft dies durch seine “wilde Ehe” mit Christiane Vulpius. Der Dichter und die Blumenbinderin? “Dumm liebt gut”, formulierte Schwarz Goethes Gesinnung.
Charlotte und Christiane sollen einmal aneinandergeraten sein. Den Disput über die Gewissensehe (es spielten Hertha Beuschel-Menze und ihre Tochter Lilith Menze) endete mit einem Rauswurf der “Schlampe”.
“Goethe hat das ganze Leben das Gefühl gehabt, dass Frauen etwas ganz Besonderes sind, etwas, was ein Mann zum Leben braucht”, stimmte Schwarz versöhnlich. Aus der Ballade “Der Fischer” zitierte er jenen berühmten Satz: “Halb zog sie ihn, halb sank er hin.” Die Interpretation: “Der Mann geht unter, doch ihm ist wohl dabei.”
Im Alter habe Goethe die Liebe als etwas Magisches empfunden. Elfenartige Wesen tauchen auf. Der Erlkönig, den Wolfgang Haag mit einer eigens arrangierten Klavierbegleitung seiner Ehefrau Elke intonierte, lässt das nahe Ende erahnen. Der Mann bricht die Blumen nicht mehr, er gräbt sie in seinen Gedichten aus, damit sie im heimischen Garten wurzeln und weiterblühen. Goethe sollte heute wieder häufiger in der Schule gelesen werden, sagte Schwarz. Die Rezitation wie auch das vorgestellte Bändchen sind dafür ein umfassendes Plädoyer.

(Badisches Tagblatt, 27. 07. 1999)


Ein Abend für den Dichterfürsten
“Goethe lebt” quicklebendig im Scherzheimer Hoftheater
Die “Redwiners” umrahmten musikalisch das Programm

Lichtenau-Scherzheim (sw). “Goethe lebt”, sagte Rezitator Jürgen Schwarz, als er beim Goethe-Abend im Hoftheater Scherzheim das Interview mit dem Dichterfürsten ankündigte. Und tatsächlich: “Goethe lebt” hätte durchaus das Motto des Abends sein können, auch wenn der Meister beim Interview durch Frohmut Menze vertreten wurde. Denn alle, die mit Goethe nur düstere Erinnerungen aus der Schulzeit verbinden, wurden eines besseren belehrt. An diesem Abend wurde bewiesen, dass Goethes Werke keineswegs trocken und verstaubt, sondern quicklebendig sind.
Anlass des Goethe-Abends war die Präsentation eines neuen Werkes aus dem AOL-Verlag: “Goethe kennen lernen - sein Leben, seine Frauen, seine Werke”. Der Band soll Schülern und natürlich auch interessierten Erwachsenen einen schnellen und unterhaltsamen Zugriff auf Werk und Leben des Dichters ermöglichen, der in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag gefeiert hätte. Autor Jürgen Schwarz, Deutschlehrer aus Kassel, hatte sich bereit erklärt, sein Werk im Rahmen eines Goethe-Abends selbst vorzustellen. Und mit dem zauberhaften Hoftheater in Scherzheim wurde eine würdige Kulisse gefunden.
Zu Beginn des Abends trugen einige Mitglieder des Scherzheimer Phantomchors unter der Leitung von Elke Haag das Lied “Die alte Kartenlegerin” vor, ein Dank an Elmer Bantz, von dem der Text des Liedes stammt. Als Programmauftakt brachten die “Redwiners” (Elke Haag, Traudel Wahl, Wolfgang Haag, Karl-Friedrich Wahl) Goethe ein Geburtstagsständchen “Happy birthday to you”. Das alles vor einer futuristisch anmutenden Goethe-Büste mit rot und grün blinkenden Augen, die von Schülern von Jürgen Schwarz gestaltet worden war.
Jürgen Schwarz trug dann die Ballade “Der Sänger” vor und glaubte alle Zutaten der Ballade auch im Hoftheater zu erkennen - vom Hof mit König (Frohmut Menze) bis zu Raubrittern (anwesende Vertreter der Finanzbehörden) und Politrittern (Bürgermeister und Landrat) sowie Rittern von der traurigen Gestalt (Lehrer und Pfarrer).
Frohmut Menze sagte bei der Begrüßung, viele Menschen hätten aus der Schulzeit noch negative Erinnerungen an Goethe. Man habe deshalb das Goethejahr zum Anlass nehmen wollen, sich dem Dichter wieder neu zu nähern. Menze stellte alle Zuschauer persönlich vor und legte ihre Verbindungen zur Familie Menze und zum AOL-Verlag dar. Ein Programmpunkt, der unterhaltsam war wie der Rest des Abends.
Jürgen Schwarz führte dann in das Programm des Abends ein. Thema war die Liebe, die freudvolle Seite der Liebe ebenso wie die leidvolle. Und so wurde Goethes Leben dann anhand einiger seiner Liebschaften aufgerollt. Es begann im Jahre 1765 in Leipzig, wo Goethe als 16-Jähriger Jura studieren sollte, sich aber mehr dem “guten Leben und seiner Liebe Käthchen Schönkopf”, von Goethe “Annette” genannt, widmete. Die Gedichte “Annette an ihren Geliebten” und “Das Schreien” stammen aus dieser Zeit, ebenso wie das Lied “Sah ein Knab´ ein Röslein stehn”, eindrucksvoll vorgetragen von Wolfgang Haag, begleitet am Klavier von Elke Haag, die auch viele seiner Gedichte virtuos musikalisch begleitete.
Im Jahre 1768 musste Goethe Leipzig schwer krank verlassen, um dann nach seiner Genesung in Straßburg sein Studium fortzusetzen. Neue Stadt, neues Glück - er lernte Friederike Brion kennen, die Pfarrerstochter aus Sesenheim. Das Gedicht “Willkommen und Abschied” schildert einen Ritt von Straßburg nach Sesenheim. Ein typisches Sturm- und Dranggedicht, so Rezitator Jürgen Schwarz, alles dreht sich um die eigene Person. Beim “Mailied” (Gedicht) tritt das Ich dann in den Hintergrund. Goethe fühlt sich eins mit Gott und der Natur. Aber auch die Verbindung mit Friederike endete unglücklich. Goethe verließ sie.
Dass auch Tote noch Rache nehmen können, zeigte sich bei dann bei der Ballade “Der Totentanz” und dem von Jürgen Schwarz geschriebenen Monolog “Klage der Friederike”, mit herrlichem Elsässer Dialekt vorgetragen von Gabi Klein, in dem Friederike mit ihrem untreuen Galan abrechnet. Von 1771 an arbeitete Goethe in Frankfurt als Anwalt. Im Jahre 1775 verlobte er sich mit Lili Schönemann. Aber auch diese Verbindung verlief unglücklich, und als Goethe vom jungen Herzog Carl August von Weimar nach Sachsen gerufen wurde, löste er die Verlobung. Aus dieser Zeit stammten das Lied “Im Felde schleich ich still und wild” und das Gedicht “Auf dem See”.
In Sachsen lernte Goethe Charlotte von Stein kennen, die Frau des Oberstallmeisters, eine reife, in sich ruhende Frau, die auf Goethe einen beruhigenden Einfluss ausübte. Das Gedicht “An den Mond” bringt Goethes Gefühle für die sieben Jahre ältere Charlotte zum Ausdruck. Die “Redwiners” präsentierten zur Melodie “Wunderbares Mädchen” ein amüsantes Loblied auf Charlotte. Beim fingierten Streitgespräch im Hause Stein trafen dann Frau von Stein (Hertha Beuschel-Menze) und Christiane Vulpius (Lilith Menze), die spätere Frau Goethes, zu einem verbalen Schlagabtausch aufeinander.
Goethes Einstellung zur Liebe und zu den Frauen schildert die Ballade “Der Fischer”, die Geschichte einer mythischen Verführung, der Jürgen Schwarz das Gedicht “Seemärchen” von Gottfried Keller entgegenstellte, der die gleiche Geschichte sehr viel prosaischer sah. Auch das Lied “Es war ein König in Thule” besingt die ewige, wahre Liebe.
Mit dem Goethe-Interview, einem von Elke Haag komponierten Medley der bekanntesten Vertonungen des Erlkönigs (gesungen von Wolfgang Haag) und “Wandrers Nachtlied” klang der rundum gelungene Abend aus. Und der Beifall des Publikums für den ausgezeichneten Rezitator Jürgen Schwarz, die tolle musikalische Begleitung und alle Mitwirkenden verriet, dass sich mit Goethe keiner gelangweilt hatte.

(Acher- und Bühler Bote, 27. 07. 1999)


Balladenabend im Kurbad Jungborn Kassel am 17.3.2012
von Dorothea Wagener aus Frankenberg (Eder)

 

 

Am Samstag, den 17. März 2012, fand im Museums-Café des Kurbades Jungborn in Kassel ein Balladen-Abend statt. Die Veranstaltung unter dem Motto „Wagner und Gäste“ führte ihre Gäste zu den unterschiedlichen Formen der Ballade.

„Wir waren beide Deutschlehrer“, so der Gastgeber Günter Wagner bei der Vorstellung seines Gastes und alten Freundes Jürgen Schwarz, „und werden es wohl auch immer bleiben!“ So befand man sich plötzlich wie inmitten einer Deutschstunde in der Schule, denn man lernte viel über Balladen, die man eigentlich schon oft gehört und deren Bedeutung man vielleicht schon längst wieder vergessen hatte. Die jeweilige Einführung in ein Thema, die Ballade selbst und die anschließende Erläuterung machte hungrig nach weiteren Vorträgen. Schwarz war schon in seiner aktiven Zeit als Lehrer in Kassel im Unterricht bekannt für sein eindrucksvolles Repertoire an auswendig vorgetragenen Gedichten, und er war sich nie zu schade, auch mal die Vorhänge im Klassenraum zuzuziehen und auf einen Tisch zu klettern, um von dort Goethes „Totentanz“ zu rezitieren. Am Samstagabend war es dann eine Leiter, und abermals zog Jürgen Schwarz, mittlerweile über 70 Jahre alt, seine Zuhörer in seinen Bann. Egal, ob Wasserballade (Goethes „Der Fischer“), Liebesballade (Goethes „Heidenröslein“) oder Symbolische Ballade (Meyers „Möwenflug“), Schwarz versetzte sein Publikum immer wieder in unterschiedliche Stimmungen, und wäre es wirklich eine Doppelstunde Deutschunterricht gewesen, so hätte man sich als Schüler gewünscht, dass die Pausenglocke nicht klingeln sollte.

Günter Wagner las verschiedene Balladen vor, die in einer zweiten parodistischen Version übertragen auf die heutige Zeit für viele Lacher im Publikum sorgten. Als Gastgeber ließ er es sich zudem nicht nehmen, seine Gäste persönlich durch das entzückende und äußerst liebevoll eingerichtete Bademuseum zu führen. Herzlich umsorgt wurde das Publikum im Museums-Café von Bettina Trautwein und Kollegin. Das Kurbad Jungborn an der Kasseler Drahtbrücke ist ein Kleinod an der Fulda und ein Geheimtipp für Gäste, die ein heimeliges und gemütliches und doch besonderes Café-Ambiente suchen. Wöchentlich abwechselnde kleine Veranstaltungen laden zudem zu kulturellen Leckerbissen und Überraschungen ein. Ein Besuch lohnt sich.

 

 

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